BECKENBAUER GESCHICHTEN

Die Nacht von Malente

Die „Nacht von Malente“ wurde zum Wendepunkt der WM 1974: Aus Frust und Zerwürfnissen formte Franz mit seiner Führungsstärke eine geschlossene Mannschaft und legte so den Grundstein für den WM-Triumph.

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Die WM 1974 begann für die deutsche Nationalmannschaft alles andere als verheißungsvoll. Statt Euphorie herrschte Frust. Im Spiel, in der Öffentlichkeit und auch im abgeschotteten Quartier der Sportschule Malente. Franz brachte es schon während des Trainingslagers auf den Punkt: „In Malente wird man wahnsinnig.“

Wochenlange Isolation, monotone Abläufe, strenge Sicherheitsvorkehrungen nach dem Olympia-Attentat von 1972. Die Spieler fühlten sich eingesperrt. Soldaten mit Maschinengewehren, GSG-9-Beamte mit Schäferhunden und Drohungen von Terrororganisationen verstärkten das Gefühl, in einer Festung zu leben. „Nach drei Wochen fiel uns buchstäblich die Decke auf den Kopf“, erinnerte sich Franz später.

Auf dem Platz spiegelte sich diese Spannung wider. Ein müdes 1:0 gegen Chile, ein uninspiriertes 3:0 gegen Australien. Als dann im politisch brisanten Spiel gegen die DDR der Spieler Jürgen Sparwasser in der 77. Minute das 0:1 erzielte, war das Debakel perfekt. Die BRD war zwar für die Zwischenrunde qualifiziert, doch der Glaube an die Mannschaft schien dahin. In den Schlagzeilen hieß es: „So nicht, Herr Schön!“

Genau in dieser Situation kam es zur legendären „Nacht von Malente“. Noch am Abend nach der Niederlage versammelte sich die Mannschaft in der Küche des Quartiers, ohne Bundestrainer Helmut Schön. Dort, zwischen leeren Kaffeetassen und Bierflaschen, entlud sich der ganze Frust. Es war eine wilde, ehrliche Aussprache, die später von Spielern als reinigender Wendepunkt beschrieben wurde. Beckenbauer übernahm die Führung. „Ich putzte jeden runter, der mir vor die Augen kam“, erinnerte er sich. Mit klaren Worten und harter Kritik rüttelte er seine Mitspieler auf und übernahm damit faktisch die Rolle eines Co-Trainers.

Von da an änderte sich vieles. Franz sprach direkt mit Schön, setzte sich für taktische Anpassungen ein und bestimmte maßgeblich mit, wer spielte. Uli Hoeneß musste eine Pause einlegen, Wolfgang Overath erhielt den Vorzug vor Netzer. Entscheidungen, die den Kurs des Turniers bestimmten. Aus einer verunsicherten Mannschaft wurde ein verschworener Haufen, der sich in der Zwischenrunde gegen Jugoslawien, Schweden und Polen durchsetzte und ins Finale einzog.

Am 7. Juli 1974 krönte sich Deutschland im Münchner Olympiastadion durch ein 2:1 über die Niederlande zum Weltmeister. Rückblickend war es die „Nacht von Malente“, die den Grundstein legte. Dort zeigte sich, dass Franz nicht nur der Kapitän und Libero war, sondern auch der geborene Anführer: Streng, klar, aber mit der Autorität und dem Gespür, eine Mannschaft im entscheidenden Moment zusammenzuführen.

Die „Nacht von Malente“ bleibt bis heute ein Mythos: Ein Abend, an dem Franz aus Chaos und Krise die Grundlage für den WM-Triumph formte.

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