Am 22. Juni 1974 verlor die BRD im Hamburger Volksparkstadion gegen die DDR. Das Tor von Jürgen Sparwassers schockte Franz und sein Team, wurde aber zum Wendepunkt auf dem Weg zum späteren WM-Titel.
Die Atmosphäre war geladen. Nur sechs Wochen zuvor hatte die Guillaume-Affäre den Rücktritt von Bundeskanzler Willy Brandt erzwungen. Der Kalte Krieg war in voller Härte spürbar, und plötzlich stand er mitten auf dem Rasen.
Die DDR war von der Stasi streng überwacht ins Turnier gegangen, die Spieler wurden geschult und kontrolliert, um jeden Fluchtgedanken im Keim zu ersticken. Doch an diesem Abend traten sie befreit auf, anders als die Westdeutschen, die hinter hohen Zäunen in Malente einen Lagerkoller entwickelten. Während die DDR-Kicker Autogramme gaben und Ausflüge machten, wirkte die BRD-Elf schwerfällig, gehemmt und kraftlos.
Dann kam die 77. Minute. Erich Hamann brachte den Ball nach vorne, Jürgen Sparwasser setzte nach. Es war eigentlich ein missglückter Laufweg, der Ball sprang ihm gegen die Nase und veränderte die Flugbahn. Doch plötzlich war er durch, lief frei auf Sepp Maier zu und hob den Ball ins Tor. 1:0 für die DDR. Ein Tor, das zu einem Symbol wurde, ein Stich mitten ins Selbstverständnis des großen Favoriten.
Franz, der Kapitän und Anführer, stand fassungslos auf dem Rasen. „Wir waren schockiert über unsere Verfassung“, sagte er später. Pfiffe begleiteten die Mannschaft vom Platz, die Niederlage wurde als Demütigung empfunden. Manche munkelten, man habe absichtlich verloren, um in der Zwischenrunde den Niederlanden und Brasilien aus dem Weg zu gehen. Doch Spieler wie Berti Vogts widersprachen entschieden: Für Helmut Schön, den Bundestrainer aus Dresden, wollte man unbedingt gewinnen.
Für die DDR war es der größte Moment ihrer Fußballgeschichte. Doch in der Zwischenrunde scheiterten die Ostdeutschen an den Großen des Weltfußballs und schieden sang- und klanglos aus.
Für die BRD hingegen wurde die Niederlage zum Weckruf. Noch am selben Abend in Malente, fernab der Kameras, nahm Franz das Heft in die Hand. In einer hitzigen Mannschaftssitzung „putzte er jeden runter“, wie er später erzählte. Aus Frust und Scham entstand Einigkeit, der „Geist von Malente“ wurde geboren. Von diesem Moment an führte Beckenbauer seine Mannschaft nicht nur als Libero, sondern auch als Stratege und Wortführer.
Das 0:1 gegen die DDR war, so paradox es klingt, der Anfang vom Triumph. Zwei Wochen später stemmte Franz im Münchner Olympiastadion den WM-Pokal in den Himmel. Das Spiel von Hamburg, das die Bundesrepublik zunächst erschütterte, wurde so zum Wendepunkt und zur Legende. Es zeigte, wie Franz schon damals mehr war als ein Spieler: Er war ein Anführer, der die Mannschaft im dunkelsten Moment zusammenführte.