BECKENBAUER GESCHICHTEN

Weltmeister 1974

Die Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland wurde zum Höhepunkt der Spielerkarriere von Franz Beckenbauer: Am 7. Juli 1974 erfüllte sich für ihn und seine Mannschaft der Traum vom Titel im Heimstadion in München.

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Die Europameisterschaft 1972 war der Vorbote für das, was 1974 endlich gelingen sollte. Für Bundestrainer Helmut Schön und die Mannschaft um Franz war klar: Dieser WM-Titel ist zum Greifen nah, ja scheinbar sogar selbstverständlich. Doch ganz so einfach sollte es nicht werden.

Schon im Vorfeld gab es Streitigkeiten, die zu eskalieren drohten. Die Mannschaft war unzufrieden mit der vom DFB ausgelobten Prämie für den WM-Titel in Höhe von 30.000 DM pro Spieler. Die italienischen Spieler sollten das Vierfache erhalten. Einige deutsche Spieler drohten sogar mit der Abreise aus dem Trainingslager, auch wenn sie diese Drohung vermutlich nicht wirklich umgesetzt hätten. Am Ende einigte man sich auf eine Prämie von 75.000 DM. Eines wurde schon vor der WM klar: Eine neue Generation von Spielern stand auf dem Platz. Eine, die nicht mehr fraglos allen Befehlen folgte, sondern eigene Meinungen und Haltungen einbrachte. Franz beschrieb das in seinem Buch so: „Es ging jetzt weniger ums Geld als um die Demonstration eigener Stärke. Zum ersten Mal in der deutschen Fußballgeschichte versuchte eine Mannschaft, der DFB-Führung ihren Willen aufzudrängen.“

Die deutsche Nationalmannschaft beim Training in der Sportschule in Malente (Foto: IMAGO / Frinke)

Nicht nur die Streitereien um die Prämien sorgten für Anspannung: Die Mannschaft wurde regelrecht in der Sportschule in Malente abgeschottet, denn nur zwei Jahre nach dem Anschlag bei den Olympischen Spielen in München herrschte Terrorangst, und höchste Sicherheitsmaßnahmen wurden ergriffen. Zur BILD sagte Franz während der WM: „In Malente wird man wahnsinnig.“

Auch die Vorrunde hatte es in sich. Ein mäßiges Auftaktspiel mit 1:0 gegen Chile und ein ebenfalls wenig überzeugendes 3:0 gegen Australien ließen die Hoffnungen auf den Titel langsam schwinden. Doch niemand konnte ahnen, welches Desaster als Nächstes folgen sollte: Am 22. Juni 1974 spielte die BRD-Elf gegen die Mannschaft der DDR: Ein symbolträchtiges Duell, das die BRD unbedingt gewinnen wollte. Doch es kam anders: In der 78. Minute traf DDR-Spieler Jürgen Sparwasser überraschend zum 0:1 und versetzte die DFB-Elf in Schockstarre. Franz und der Mannschaft gelang bis zum Schlusspfiff keine Wende mehr. Die DDR siegte – und das Spiel ging als Debakel und Blamage in die Geschichte ein.

Die Kapitäne Franz Beckenbauer und Bernd Bransch beim historischen Spiel BRD gegen DDR (Foto: IMAGO / Horstmüller)

Doch im Rückblick sollte sich genau dieses Spiel als Wendepunkt erweisen: Die Mannschaft war plötzlich wachgerüttelt, Selbstzufriedenheit wich neuer Entschlossenheit. Franz war es, der in dieser Phase voranging und seine Führungsstärke als Kapitän unter Beweis stellte. Die berühmte „Nacht von Malente“ gilt bis heute als Symbol dieses Aufbruchs. In der Sportschule in Schleswig-Holstein kam es nach der Niederlage zu einer offenen Aussprache zwischen Spielern und Trainern. Kritik, Emotionen und klare Worte prägten die Nacht. Franz übernahm die Rolle des Vermittlers. Mit seiner Autorität und seiner Fähigkeit, Menschen hinter sich zu bringen, trug er maßgeblich dazu bei, dass aus einem verunsicherten Team eine geschlossene Einheit wurde. Er überzeugte Trainer Helmut Schön, die Mannschaft umzustellen, und erzeugte eine neue Aufbruchsstimmung, den sogenannten „Geist von Malente“.

Ab der Zwischenrunde zeigte sich eine andere deutsche Mannschaft. Mit disziplinierter Defensive, aber auch spielerischer Stärke zog das Team ins Finale ein. Vor dem Endspiel lud Franz die Mannschaft noch zu einer Gartenparty in sein Haus in München ein, um den Zusammenhalt weiter zu stärken.

Im Finale am 7. Juli 1974 traf die DFB-Elf auf die favorisierten Niederländer um Taktgeber Johan Cruyff. Schon nach wenigen Minuten geriet die deutsche Mannschaft durch einen Elfmeter in Rückstand. Doch erneut war es Franz, der Ruhe bewahrte, das Spiel von hinten ordnete und der Mannschaft das Vertrauen gab, zurückzukommen. In der 23. Minute dann die große Chance zum Ausgleich: Auch die DFB-Elf bekam einen Elfmeter zugesprochen. Paul Breitner schnappte sich den Ball und verwandelte souverän zum 1:1. In der 43. Minute drehte Gerd Müller das Spiel mit dem Treffer zum 2:1. Die Niederländer kämpften vergeblich – sie brachten den Ball nicht mehr ins Tor.

Franz stemmt den neuen FIFA Weltpokal in die Höhe. Daneben u.a. Sepp Maier, Paul Breitner, Bundespräsident Walter Scheel (Foto: IMAGO / Ulmer)

Die deutsche Mannschaft krönte sich im Münchner Olympiastadion zum Weltmeister. Vor 80.000 Zuschauern stemmte Franz die WM-Trophäe in die Höhe, und das Zeltdach des Stadions vibrierte. Er war der erste Kapitän der deutschen Geschichte, der den neu geschaffenen FIFA-WM-Pokal in die Höhe hielt: Jener ikonische goldene Pokal, der bis heute bei jeder Weltmeisterschaft vergeben wird. Seine Rolle als Libero, der nicht nur verteidigte, sondern das Spiel lenkte, wurde zum Sinnbild einer neuen Fußball-Ära.

Am Ende sagte Franz: „Gebt dem Sparwasser die 23. Medaille.“ Ohne die desaströse Niederlage gegen die DDR und den darauffolgenden „Geist von Malente“ wäre die Mannschaft wohl nie zu der Stärke erwacht, die sie am Ende zum Titel führte.

Die WM 1974 zeigte, dass Franz mehr war als nur ein herausragender Spieler. Er war der Kopf, der Stratege, das Gesicht einer Mannschaft, die nach Rückschlägen stärker zurückkam. Der Triumph im eigenen Land machte ihn zu einer Figur, die weit über den Fußball hinaus zur Ikone wurde.

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